11. SONNTAG im Jahreskreis
Evangelium nach Markus (4,26-34)
In der Vergangenheit hat man sich immer wieder mit der Frage auseinandergesetzt: „Wer ist Gott?“ Man hat versucht, das „Wesen“ Gottes zu beschreiben, was im Grunde genommen unmöglich ist. Nach komplizierten philosophischen Überlegungen meinte man dann, das Wesen Gottes (wer er ist) mit dem Begriff „Dreifaltigkeit“ festzulegen. Der Mensch von heute aber stellt sich - wenn er über Gott nachdenkt - andere Fragen: Wo ist Gott? Wo wirkt er? Ist er in dieser Welt tätig? Wo kann ich ihn erfahren? Im Grunde genommen gibt Jesus im heutigen Evangelium darauf eine Antwort, indem er über das „Reich Gottes“ redet. Im Neuen Testament gibt es 122 Stellen, in denen es um das „Reich Gottes“ geht. Für Jesus selbst ist es ein zentrales Anliegen. Für ihn ist das Reich Gottes hier und jetzt, mitten unter den Menschen.
Ein „Königreich“ ist ein Reich, wo ein König herrscht, regiert, wo seine Gesetze gelten und das Zusammenleben bestimmen. Das Reich Gottes ist nun ein Lebensraum, in dem Gott wirksam ist, Einfluss hat, etwas bewirkt. „Gottes Reich" ist nach Jesu Verständnis überall dort, wo Menschen auf Gott hören und nach Gottes Maßstäben handeln. Dadurch entsteht eine andere Form des Zusammenlebens, eine neue Welt, die sich unterscheidet von einer Welt „ohne Gott“, in der es nur um Macht, Besitz, Wirtschaft, gnadenlose Konkurrenz geht. Denn das sind nicht die Maßstäbe Gottes. Jesus hat vorgelebt, was in den Augen Gottes wichtig ist: Güte von Mensch zu Mensch, Vergebung und Versöhnung, Verständnis füreinander, Freundlichkeit und Nachsicht; „Gerechtigkeit und Friede und Freude“, sagt Paulus in seinem Römerbrief. Wo Liebe und Mitmenschlichkeit herrschen, dort wirkt Gott, dort spürt man seinen Einfluss auf die Menschen, denn Gott ist Liebe. Gott wirkt und handelt in und durch Menschen. Wo Menschen lieben, ist Gott spürbar anwesend und aktiv. Dort ist Gottes Reich.
Hat dieses Reich Gottes wirklich eine Chance in einer Welt, in der es so sehr an Frieden und Gerechtigkeit mangelt? Leid, Ausbeutung und Gewalt scheinen stärker zu sein. Kann das Reich Gottes sich durchsetzen? Warum ist so wenig zu spüren vom Reich Gottes, vom Wirken Gottes, mitten in unserer Gesellschaft, ja oft mitten in unserer Pfarrgemeinde? Jesus gibt uns zwei Antworten.
Erstens kommt es darauf an, dass wir tun, was wir tun können. Natürlich können wir die Welt nicht radikal verändern. Wir sind wie dieser Bauer, der das Feld bearbeitet, den Samen aussät. Aber ob diese Saat wirklich keimt und Frucht bringt, hat er nicht in der Hand. Ob unsere Bemühungen Frucht bringen, hängt schlussendlich von Gottes Wirksamkeit ab. Roger Schutz, der Gründer von Taizè, hat den ermutigenden Satz gesagt: "Lebe das vom Evangelium, was du begriffen hast, und sei es noch so wenig!" Schon das kann die Welt, den Ort, wo ich lebe, das Leben einiger Menschen, die rechts und links neben mir leben, ein wenig heller und hoffnungsfroher machen.
Zweitens hat Gott seine eigene Methode. Er greift nicht mit Macht ein, um alles, was in dieser Welt schief geht, auszubessern. Gott wirkt im Kleinen, im scheinbar Ohnmächtigen. So wie beim Senfkorn. Dieses hat einen Durchmesser von nur etwa einem Millimeter. Ein Korn wiegt nur ca. ein Milligramm, d.h. man muss also 1000 Körner nehmen, damit man ein Gramm bekommt. Und trotzdem geschieht das unglaubliche Wunder: Aus dem scheinbaren Nichts wächst eine Staude, eineinhalb bis zwei Meter hoch. So ist es auch mit dieser neuen Welt Gottes, in der Gott und die an ihn glaubenden Menschen zusammenarbeiten. Gott wird sich durchsetzen, trotz allem. In Leben und Tod von Jesus selbst hat Gott das bewiesen.
Jesus fordert uns mit seinen Beispielen vom Bauer und vom Senfkorn auf, Vertrauen und Geduld zu haben, an Gottes Wirken zu glauben und das zu tun, was wir selbst können, in unserer eigenen Umgebung, wie wenig das oft zu sein scheint. Trotzdem wird da etwas wachsen, weil Gott dabei ist, in und mit uns wirkt. Das ist das Evangelium die frohe und hoffnungsvolle Botschaft. Glauben wir daran? Machen wir da mit?